Soziokulturelles Engagement als Gemeinschaftswerk

– Aus der Backform in die Stadt


Im Gespräch mit Frie, Amei und Hasi

Wenn man sich die Oldenburger Kulturszene einmal wie eine festliche, vielschichtige Torte vorstellt, hat jede Schicht, jede Zutat ihren ganz eigenen Geschmack – und erst das Zusammenspiel macht das Ganze zu einem Genuss. In dieser Metapher sind Frie, Amei und Hasi die Hauptzutaten: Frie, als das Glitzer, bringt die funkelnden Programmpunkte und macht aus dem soliden Fundament den besonderen Moment. Amei ist die Gelatine, das Bindemittel, das alles zusammenhält: sie verknüpft, vernetzt, ruft die passenden Leute an und füllt die Lücken, die andere im Rezept übersehen hätten. Hasi wiederum schwingt den Tortenheber – praktisch, bescheiden und unverzichtbar sorgt er dafür, dass aus kreativen Ideen und funkelnden Programmpunkten eine reibungslos funktionierende Veranstaltung wird. Doch auch die beste Torte bleibt formlos, wenn nicht eine Backform ihr Halt gibt: Susan, die im Hintergrund als Möglichmacherin agierte. Ohne ihre Organisation, Fähigkeiten und Initiative, hätte manches Projekt nie Gestalt angenommen – oder wäre einfach roh geblieben.
Gemeinsam haben sie Oldenburg mit Kulturräumen wie dem kreativ:LABOR, freiGANG, frei.zeit.gang oder zuletzt dem Freizeitlärm e.V. geprägt und wachsen lassen. Ihr Rezept: DIY-Mentalität, ehrenamtliches Herzblut, ein lebendiges Netzwerk – und die Bereitschaft, immer wieder aufzustehen, wenn mal eine Schicht zusammenzufallen droht. Über Generationen hinweg wird in dieser „Tortenrunde” gebacken, experimentiert, serviert und genossen.
Wie genau entsteht aus einer „Schnapsidee“ ein Kultursommer-Alternativprogramm? Welche unsichtbare Arbeit steckt hinter jedem gelungenen Event, und wie geht man mit dem Spagat zwischen ehrenamtlicher Leidenschaft und der Notwendigkeit professioneller Strukturen um? Was passiert, wenn Schlüsselpersonen wegbrechen oder die Finanzierung knapp wird? Und wie kann der Funke auf neue Generationen überspringen, damit die „Tortenbäckerei“ der lokalen Kultur nicht zum Erliegen kommt? Frie, Amei und Hasi geben im Gespräch ehrliche Einblicke und wertvolle Impulse für alle, die selbst aktiv werden wollen.
Das ganze Interview mit Frie, Amei und Hasi, das diese Fragen vertieft und weitere Zutaten einstreut, findet ihr hier.


Rike: Lasst uns ganz am Anfang einsteigen – wie kam es zur Gründung des freiGANGs?

Frie: Der freiGANG und das kreativ:LABOR sind eigentlich ziemlich parallel gestartet. Die Initialzündung war ein Gespräch zwischen Susan und mir an der Kasse im Cadillac damals. Uns ist aufgefallen, wie homogen der Kultursommer geworden ist und wie wenig junge oder lokale Künstler*innen überhaupt eingebunden waren. Wir haben uns eine Schnapsidee überlegt – also im wahrsten Sinne des Wortes war es eine Schnapsidee mit dieser Alternative zum Kultursommer. Ich weiß noch, dass Susann dann gezielt Leute zusammengeholt hat. Viele kannte man damals nur vom Sehen – das war ein wilder Mix aus allen Ecken Oldenburgs. Beim ersten Treffen haben wir einfach Ideen gesponnen, es war fast schon chaotisch.

Hasi: Und trotzdem hat’s funktioniert! Susann hat diese ganzen unsichtbaren Sachen geregelt: Versicherung, Container, Bühne... Ohne ihre Fäden im Hintergrund wäre das nie gestartet. DIY war damals kein Motto, sondern Notwendigkeit, zum Beispiel das Craftwork-Café. Das war alles das, was es immer gab, aber nie irgendwie so in so was wie den Kultursommer involviert worden, weil doch niemand wusste, wie geht das.

Frie: Das eigentliche Konzept war, Alternativen zu schaffen, abseits des Schlossplatzes, und all die Bands, DJs, Künstler*innen zu zeigen, die sonst keine Bühne bekommen hätten. Im ersten Jahr waren alle überrascht, wie voll es wurde – der Platz war jeden Tag belebt. Ich glaube, dass wir im ersten Jahr unterschätzt worden sind: wie viele Leute wir ziehen und was die Qualität des Programms angeht.

Rike: Hat sich das über die Jahre verändert?

Amei: Total. Einmal im Team, aber auch, was die Leute wollten. Wir hatten am Anfang zum Beispiel viele Workshops oder Upcycling-Aktionen. Später wurde der Fokus mehr auf Musik und Partys gelegt. Und ehrlich: Wir hatten damals viel mehr Zeit, viele von uns studierten noch und konnten nachmittags einfach auf dem Platz abhängen und Deko basteln.

Frie: Das stimmt. Die Kräuterei hat zum Beispiel damals ganz viele Pflanzen gespendet, und wir haben die dann bei Susann im Garten – keine Ahnung, hundert Pflanzen – umgetopft, von ganz kleinen in etwas größere Töpfe.

Hasi: Das war geil. Das war der „Fernsehgartenlook“ mit diesen neonbunten Gießkannen dazu. Da ging es los mit dem Kunstrasen. Wir sind vorher wirklich einfach so irgendwelche Gärtnereien abgefahren und haben denen erklärt, was wir machen. (lacht)

Frie: Der Wandel hing auch am Finanziellen. Livebands sind teuer, es wurde aufwendiger, während das Fördervolumen gleich blieb und alles ringsherum teurer wurde. Irgendwann mussten wir auf kleinere Bookings umstellen und mehr mit DJ-Sets arbeiten.

Hasi: Was oft völlig unsichtbar bleibt, ist diese ganze Arbeit: Kontakte pflegen, Technik organisieren, Behördengänge. Vieles davon passiert nachts am Rechner oder im Hinterzimmer, und niemand sieht’s so wirklich. Man hat aber auch damals für alles nochmal viel, viel länger gebraucht, weil man keinen Schimmer hatte. Man merkt erst, wie viel unsichtbare Arbeit nötig ist, wenn sie plötzlich wegfällt. Und wie schwer es ist, gegen Verwaltung, Genehmigungsprozesse und mangelnde Räume anzukämpfen.

Rike: Ihr habt alles ehrenamtlich gemacht?

Amei: Klar – das war für die allermeisten eher Leidenschaft als Job. Das ging so lange bis die Kulturetage ihren Förderanteil eingestellt hat.

Frie: Letztlich führte das zur Pause. Nach dem freiGANG wollten wir die verkrusteten Strukturen aufbrechen – daher der Name „Krustenbraten“. Aber im Endeffekt hat uns ohne Susan einfach der Kleber gefehlt, und für uns war das auch eine Frage der Solidarität. Sie war schließlich diejenige, die sich am meisten für das Projekt engagiert und eingesetzt hat.

Amei: In Oldenburg ist es auch so, dass viele Engagierte irgendwann wegziehen – nach Bremen oder Hamburg, weil’s dort mehr Möglichkeiten gibt.

Frie: Trotzdem liebe ich diese Oldenburger DIY-Kultur. Es gibt ein starkes Netzwerk, und alle helfen sich gegenseitig. Man kennt die Leute, weiß, wer was kann – auch wenn man sich nicht direkt gut kennt.

Rike: Wie ist vor diesem Hintergrund der Freizeitlärm e.V. entstanden?

Hasi: Nach einem längeren Break, verstärkt durch Corona, entstand der Freizeitlärm e.V. mit neuen Leuten und altbekannten Gesichtern. Wir haben nach Möglichkeiten gesucht, weiterzumachen, neue Orte gefunden – wie die brombeerüberwucherte, im Dornröschenschlaf befindliche Klärwaage – und mit dem Verein die nötige Struktur geschaffen, um Förderungen zu beantragen und wieder gemeinsame Sache zu machen. Im Team haben alle schnell eine Rolle gefunden, und daraus ist letztendlich das EAE-Festival - “Ein außergewöhnliches Ereignis”, aber auch das Sonnendeck zum Beispiel im Innenhof des Landesmuseums für Natur und Mensch.

Frie: Der Verein war erst ein Mittel zum Zweck, ist jetzt aber eine Art Plattform für neue Ideen und Projekte. Hauptsache, die kulturelle Teilhabe bleibt, auch gerade, weil’s sonst keiner macht. Und das zieht sich die letzten zwanzig Jahre sehr durch mein Leben in Oldenburgs Kulturszene, dass man immer wieder an den Punkt kommt: sowas hätte ich gern, so was gibt es nicht. Ja, dann machen wir es halt selbst.

Rike: Wie blickt ihr in die Zukunft?

Amei: Schwierig. Viele junge Leute sind heute noch unsichtbarer als wir damals. Die Netzwerke muss sich jede Generation fast selbst erarbeiten – wir können unterstützen, aber nicht alles vorgeben.

Hasi: Deshalb wäre es schön, wenn die Jüngeren mehr auf uns zukommen – so könnte der Wissenstransfer besser funktionieren und es wächst weiter, statt dass alles wieder bei null beginnt.

Frie: Vielleicht ist es aber auch normal, dass jede Generation sich neue Räume eigenständig erschließt. Es ist ein schöner Prozess. Von uns profitiert man aber, indem wir Erfahrung teilen und unsere Kontakte öffnen.

Rike: Welche Erfahrung hat euch persönlich bereichert?

Frie: Ich merke, dass unser Level an Professionalität extrem gestiegen ist, obwohl kaum jemand von uns eine Ausbildung im Veranstaltungsbereich hat. Gerade beim EAE-Festival haben wir u. a. von internationalen DJs super Feedback für unsere Organisation bekommen. Und das macht total Spaß, weil man merkt, es läuft alles. Jede Person aus unserem Team trägt ihren Teil dazu bei und dadurch funktioniert das zusammen relativ gut.

Hasi: Es geht eben nicht nur um perfekte Excel-Tabellen in der Projektverwaltung, sondern auch um Empathie. Wer selber schon 800 km zu einem Gig gefahren ist, weiß, wie Künstler*innen empfangen werden möchten.

Amei: Dennoch: Es bleibt eine krasse Selbstausbeutung, die in der Kulturlandschaft oft vorausgesetzt wird – auch bei allen Helfenden. Ich würde mir da manchmal wünschen, dass es mehr Wertschätzung und Ressourcen gibt.

Frie: Für mich ist es okay, das ehrenamtlich und gegen jede kapitalistische Verwertungslogik zu machen. Unsere Szene lebt ja gerade davon, dass Leidenschaft wichtiger ist als Umsatz. Aber auch dabei darf man nicht vergessen, auf die eigenen Grenzen zu achten!

Rike: Was wünscht ihr euch vom kreativ:LABOR in den nächsten Jahren?

Frie: Mehr Glitzer – vielleicht mal eine schöne Party, nicht immer nur ernste Veranstaltungen (lacht).

Hasi: Ich wünsche mir, dass hier weiter Räume und Möglichkeiten geschaffen werden, unkompliziert und offen – damit neue Generationen ihre eigene Torte backen können.

Amei: Genau das – Räume, Austausch und Flexibilität, um das Netzwerk in Oldenburg lebendig zu halten.

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