Lucia Loimayr-Wieland - Künstlerin

Lucia Loimayr-Wieland - Künstlerin

Veröffentlicht am: 01. Dezember 2019

Veröffentlicht in: Projekt

Autor: Rike Schroer

„Grundsätzlich sollten wir uns mehr trauen im Prozess des Abschiednehmens.“


Wir treffen Lucia in ihrer Werkstatt. An der Wand steht ein bunt bemalter Sarg. „Das ist meiner“, sagt sie. „Rot ist eine wichtige Farbe in meinem Leben und die anderen Farbspuren stehen für Personen in meinem Leben.“ Auch ihr Totenhemd ist wohl überlegt: „Es ist schwarz und hat unterschiedliche Bänder angenäht, mit denen man mich einwickeln kann.“ Ob sie wirklich darin bestattet werde, weiß sie noch nicht. „Geschmack ändert sich“, fügt sie lachend hinzu. Lucia ist Sargmalerin, doch sie hadert mit der Bezeichnung und erklärt: „Das ist nur eine kleine Facette von dem, was mich ausmacht. Ich bin eine Frau, die sich grundlegend mit Abschiedskultur beschäftigt.“

Seit zwanzig Jahren lebt die gebürtige Österreicherin in Norddeutschland. „Ich bin in Linz geboren und habe länger in Salzburg gelebt.“ Damals habe sie den Impuls verspürt, Bestatterin zu werden. Stattdessen ist sie bei der Stiftung Hospizdienst in Oldenburg tätig geworden und hat dort den ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst aus der Wiege gehoben. „Meine Aufgabe ist es, Familien zu begleiten, deren Kinder früh sterben werden. Im Leben, im Sterben und in der Trauer“, erklärt sie. Durch ihren Beruf und die Leidenschaft, Bilder zu malen, habe sich das Thema immer weiter verwoben.

Im Rahmen der Ausstellung „Mein letztes Hemd“ überführte Lucia ihre Gedanken in die Praxis. Wie soll mein letztes Hemd aussehen? „In Österreich bezeichnen wir den Sarg als Holzpyjama. Hier liegt das letzte Hemd bereits im Wort. Für mich war dies der Impuls, meinen eigenen Pyjama zu gestalten – einen Sarg, der mir das Gefühl vermittelt, dort gut aufgehoben zu sein, wenn es so weit ist.“ Das Ergebnis sorgte für Aufsehen. „Darf man das?“, hätten viele Besucher*innen mit Blick auf den bunten Sarg gefragt. „Warum denn nicht?“, habe Lucia erwidert.

Mit zunehmender Individualität seien in unserer Gesellschaft viele Bestattungsrituale verloren gegangen: „Viele Menschen zögern und wissen nicht, wie sie mit Trauer umgehen sollen, aber auch, wie sie selbst bestattet werden möchten.“ Lucia begegnet Angehörigen mit Interesse und stellt Fragen, um he- rauszufinden, was im Prozess des Abschiednehmens heilsam sein könnte. „Wir haben alle einen ganz unterschiedlichen Umgang mit dem Tod. Das ist auch okay. Grundsätzlich sollten wir uns aber mehr trauen“, fordert sie.

Die Auseinandersetzung mit der Sarggestaltung kann Familien im Gespräch und in der Emotion darüber zusammenführen. „Für mich sind es wahre Glücksmomente, diesen Prozess anstoßen zu dürfen, indem ich einen Raum dafür schaffe“, sagt sie. In der Regel lässt Lucia den Sarginnendeckel frei, um durch Fotos, Briefe und andere individuelle Erinnerungsstücke die Möglichkeit zu geben, auf ganz persönliche Art und Weise Abschied zu nehmen.

Erst kürzlich ist Lucias Mann verstorben: „Meine persönliche Erfahrung trägt mich, auch andere Familien in ihrer Trauer zu unterstützen.“ Beide hätten immer offen über den Tod reden können und als sein Ende absehbar gewesen sei, habe sie ihm einen Sarg zum Geburtstag gestaltet: „Für manche Gäste war es ein bisschen schräg zu sehen, dass zuhause unsere Särge bereitstehen“, sagt sie. „Für mich aber war das ein unglaublich intensiver Prozess.“

Lucias Sargkunst ist bis heute keine kommerzielle Geschäftsidee. Sie malt hauptsächlich für Freund*innen und Menschen, denen sie im Rahmen der Stiftung Hospizdienst begegnet.

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